Der Tod auf dem Kissen

Der Tod auf dem Kissen

nachdem man ja, sobald man sich mit dem Thema „Selbstliebe“ und Selbstfürsorge beginnt zu beschäftigen überhaupt keine Chance hat erfolgreich vor dem Thema Aufmerksamkeit und damit Meditation zu flüchten, holte es mich auch recht schnell ein, was sich erstmal in einem Versuch bei Amazon beschloss, mir eine „Meditation“ zu laden…die allerdings „schei..“ war. Holte mich überhaupt nicht ab und ich dachte mir, na da komme ich schon mal überhaupt nicht weiter und mir irgendeinen Guru oder Guroline zu suchen, die mir dann ein „Ohm“ vorbetet und komplet auf ihrem Kissen in andere Welten entschwindet, während ich nicht mehr weiß, warum ich überhaupt dort hin bin….ne, ne….das wollte ich so absolut nicht, irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Na ja, dann halt nicht.

Ein paar Tage später im Büro, quatschte ich mit einer Kollegin und erzählte ihr von meinem fruchtlosen Versuch mein „Stresslevel zu senken“. Sie antworte sehr herzlich mit dem Kommentar: “ach Caro, heute macht man das doch mit Headspace“.

„Hä? Was ist Headspace?“ „na DIE Meditations-App, alle schwärmen davon?“..ok..wieder was zum Lernen. Also googelte ich erstmal den Begriff Headspace und landete bei einem Interview auf youtube über Andy Puddicome, den Gründer von Headspace. Das beeindruckte mich sehr und ich beschloss, ok, das probiere ich doch mal aus.

Also lud ich mir die Testversion und startete mit den Meditationen für Anfänger, legte mich aufs Bett und lies mich da mal berieseln. Hm…und dann sollte ich zu Anfang die Augen schließen und mich mal nur auf die Geräusche um mich herum konzentrieren und zwar NUR auf diese Geräusche, was höre ich da, ist es laut, leise, nervts mich? ist es nur ein Geräusch oder sind es mehrere? Welche einzelenen Geräusche sind es denn, welches der Geräusche ist lauter als das andere, kann ich die einzelnen Geräusche voneinander unterscheiden oder vermischen sich dabei welche…kurzum ich war so heftig damit beschäftigt diese Geräusche zu definieren, auseinander zu dividieren, zu checken, welches lauter, welches leiser, wie viele Geräusche ich da hör….die Waschmaschine läuft, die Spülmaschine ist auch noch nicht fertig, der Bus vor der Tür ist richig laut und irgendwas stimmt nicht, einer der Reifen schleift und der Motor jault so komisch, ob der wohl noch weit kommt mit dem Bus?

Irgendwelche Kinder plärren sich die Seele aus dem Leib und eine Amsel im Garten versucht mit ihrem Gesang all den Pegel den die Auto’s, Busse und alles andere was wirklich laut ist mit ihrem Gesang zu übertönen. Puh, kurzum ich war so mit mir und den Geräuschen beschäftigt, dass ich ganz traurig war, als mir die nette Stimme aus der App im salbungsvollen Ton noch die Aufgabe dazu gab, zu beobachten welche Gedanken in mir hoch kommen, diese zur Kenntnis zu nehmen, aber dann wieder los zu lassen….hä???? Gedanken, ok, was denke ich grad…..des Gequietsche von dem Bus ist echt ätzend, des tut schon fast in den Ohren weh….oh…ok…warte ein Gedanke….ok, bemerkt hab ich ihn schon mal…aber wie lasse ich den jetzt los?….die nette Stimme erklärt mir: wie eine Wolke die vorbei zieht..ok, des funktioniert bei mir schon mal gar nicht…mein Denker läuft auf Hochtouren..wie eine Wolke..pah, ich bin zwar Wetterfrosch und liebe Wolken, aber wie lässt man die los…??? kann sie doch gar nicht festhalten…Gedanken..ok…Gedanken loslassen..puh, schwer.

Die zweite Methode, die die nette Stimme dann vorschlug war, wie ein ein Auto, das auf einen zukommt: das Geräusch (oder der Gedanke) kommt auf mich zu, zieht an mir vorbei und ebbt danach wieder ab, bis er verschwindet…ok, jetzt versteh ichs, der Doppler-Effekt…ich versuchs mal…na ja…da brauch ich wohl noch viel Übung.

Ich lag da also auf meinem Bett, war herrlich bequem, hatte die Augen zu und war mega darauf konzentriert, die ganzen Geräusche um mich rum auseinander zu halten und die Gedanken die dazu aufkamen erstmal zu bemerken und dann kommen und gehen und vor allem los zu lassen.

Dann atme tief ein und werde dir bewusst wo du bist, in welchem Raum du dich befindest, komm ins hier und jetzt zurück, dann öffne deine Augen…boah und schon waren 10 min Meditieren rum? Hey ich war nur mit Geräuschen und meinem Gedanken so beschäftigt, dass ich die 10 Min überhaupt nicht mitbekam. Cool. So ging ich von Meditationssitzung zu Sitzung und hatte schwupps die 30 Tage Trial erreicht, ich wollte aber unbedingt weiter machen, da ich inzwischen nicht nur Geräusche wahrnehmen gelernt hatte, sondern auch meine Gedanken erkennen konnte, meine Gefühle erkannte, mich spüren konnte, meinen Körper scannen und viele andere Dinge mehr. Gut, das Loslassen war eine härtere Nuß zu knacken, aber da wollte ich nicht mehr aufhören und aufgeben, da ich inzwischen gemerkt hatte wie gut mir das tägliche Üben tat.

So ganz nebenbei wurde ich ruhiger und gelassener, nur weil ich täglich die Geräusche und Gedanken einfangen und loslassen wollte. Es machte mir richtig Spaß und es tat sich offensichtlich was in meinem Kopf. Also wurde ich Headspace – Mitglied und bin es immer noch leidenschaftlich gerne (nun schon 4 Jahre), obwohl ich inzwischen so gut im Meditieren geworden bin, dass ich die App eigentlich gar nicht mehr brauche. Ich meditiere immer noch täglich und würde die „Stille im Geist“ die man durch Konzentration erreicht nicht mehr missen wollen.

Ich nähte mir selbst ein Mediationskissen und habe heute eine tägliche Routine in der die Meditation ein fester Bestandteil ist. Und ja so ganz nebenbei wurde ich auch sehr viel aufmerksamer mir selbst gegenüber, heute erkenne ich sehr schnell wenn mein „Kopf“ und „mein Denker“ mal wieder sein Eigenleben führt und mir täglich die Welt erklärt und ich dann weiß…was für gequirlte Scheiße da eigentlich tagtäglich an Gedanken-Müll produziert wird von meinem Verstand, der meint, mich vor der grausamen Welt da draußen beschützen zu müssen. Eine 10-min-Mediationssitzung später und der „reset“ ist erfolgreich vollzogen, welche Wohltat das ist, habe ich erst im Laufe der Zeit wirklich begriffen, als ich mit dem „Loslassen“ schon Übung hatte. Der Kopf konnte zur Ruhe finden und heute ist mein „Denker“ überwiegend still, das ist der schönste Urlaub ever.

Für die richtig guten Power-Meditierer, die ja schon mal mehrere Stunden und dabei auch noch wochenlang auf ihren Kissen sitzen (Zitat Slatko Sterzenbach): wenn man in Indien in einem Meditationslehrgang mehrere Stunden und tagelang auf dem Kissen sitzt, bei knapp 40 Grad, versucht heraus zu finden, ob die Luft die man einatmet kälter ist, als die die man ausatmet“….kommt der Tod auf dem Kissen wohl recht schnell.

Gut bei mir mit meiner orthostatischen Disregulationsstörung durch mein Herzproblem, sind mehr als 10 min im Schneidersitz grenzwertig, ich steh dann schon auf, lieg aber schneller wieder als gedacht, deswegen reichen mir meine täglichen 10-15 min aus. Steter Strahl höhlt den Stein, so bin ich in der Meditation auch schon recht weit, auch ohne den Tod auf dem Kissen je gestorben zu sein. Ich für mich habe durch die Meditation das gefunden, wonach ich gesucht hatte…die Stille im Geist. Das ist für mich absolut ausreichend und ich habe dadurch soviel über mich selbst gelernt und die Achtsamkeit gleich im Komplettpaket mit dazu bekommen.

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